Altensteig
Kleiner Prinz landet im Schlossgarten
Schwarzwälder Bote 09.07.2013 Kritik
von Manfred Köncke
Menschlichkeit und Wichtigtuerei, Verantwortung und Werteverfall: "Der kleine Prinz" ist Wahrheit und Märchen zugleich. Die poetische Erzählung von Antoine de Saint-Exupéry hat auch 70 Jahre nach ihren Erscheinen nichts von ihrer Aussagekraft, Eindringlichkeit und Magie verloren.
"Das Chamäleon", ein erst vor wenigen Monaten gegründetes Theater ohne feste Bühne aus dem Horber Stadtteil Dettingen, hat das moralische Lehrstück in Altensteig vor romantischer Kulisse aufgeführt und sich bei der Inszenierung – Regisseurin und Schauspielerin Dorothee Jakubowski sei Dank – eng an den Urtext angelehnt. Der Wiedererkennungswert war groß und das Publikum dankbar.
Der kleine Prinz reist von Stern zu Stern, um zu erfahren, was es heißt, Freunde zu haben und Verantwortung zu übernehmen. Unterwegs trifft er auf traurige Karikaturen ihrer selbst, blickt hinter die Fassade von Scheinwelten. Bis er vom Fuchs den bemerkenswerten Satz zu hören bekommt, dass das Wesentliche für die Augen unsichtbar ist: "Man sieht nur mit dem Herzen gut." Mit seinem Flugzeug (ein Fahrrad tut’s in Altensteig, ist schließlich auch ein Fortbewegungsmittel) in der Sahara notgelandet, begegnet der Erzähler dem kleinen Prinzen, der von einem fernen Planeten kommt. Auf seiner abenteuerlichen Reise trifft er auf einen König, der ein fiktives Reich beherrscht, auf einen Alkoholiker, der trinkt, um seine Trunksucht zu vergessen, auf einen Geschäftsmann, der behauptet, die Sterne zu besitzen; auf einen pflichtbewussten Laternenanzünder, auf einen Geografen, der riesige Wälzer schreibt, aber wichtige Orte vergisst. Auf der Erde durchquert er nach einem klugen Gespräch mit einer (goldenen) Schlange die Wüste in Afrika und erkennt: "Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast." Der kleine Prinz bekommt Heimweh und kehrt zurück.
Dorothee Jakubowski, als Schauspielerin am Rottweiler Zimmertheater auch von Aufführungen im Altensteiger Hades noch gut in Erinnerung, spielt mit Intensität eine Rose, Schlange, Laternenanzünderin und – besonders lebendig – den Fuchs. Andreas Wachsmann verkörpert überzeugend einen Geschäftsmann, Geografen und Weichensteller. Nicht minder professionell Emanuel Werres als Flieger, König, Säufer und wunderbarer Geigenspieler.
Besonders gefeiert wurde in Altensteig aber Luis Schneiderhan als neugieriger, sinnentleerte Behauptungen hartnäckig hinterfragender kleiner Prinz. Der 12-jährige Gymnasiast hatte sich in einem Casting gegen sieben Konkurrenten durchgesetzt und erwies sich als Glücksgriff.
Zur gelungenen Aufführung trug auch die romantische Kulisse rund um das Alte und Neue Schloss mit mehreren Spielstationen bei. Der Laternenanzünder konnte seine Lampe an der mannshohen Skulptur des Altensteiger Bildhauers Klaus Henning aufhängen, die Schlange wälzte sich auf einem historischen Gesteinsblock und der König ernennt den kleinen Prinzen zum Justizminister über einer Ratte in luftiger Höhe.
Die Zuschauer erlebten bei herrlichem Sonnenschein und stimmungsvoller Atmosphäre eine beeindruckende, zum Nachdenken anregende Vorstellung.
Bild: Manfred Köncke