Hilfe für die letzte Stunde
Neckar Chronik Sulz, 16.08.2016
Von Margita Manz
„Chamäleon-Theaterwelten“ spielten „Jedermann“ im Schlosshof in Glatt
Mit dem Projekt „Jedermann“ gastierten die „Chamäleon-Theaterwelten“ aus Dettingen unter der Leitung von Dorothee Jakubowski am Sonntagabend im vollbesetzten Schlosshof.
Die Abhandlung des weltbekannten „Jedermann“ von Hugo von Hoffmannsthal lockte viele Besucher zur gelungenen Aufführung mit tollem Ambiente des Glatter Wasserschlosses.
Das mystische Leben und Sterben des „Jedermann“ begeisterte das Publikum.
Schlossmauer und Schlosshof ergaben eine Freilichtbühne, die mit einbrechender Dunkelheit für das Stück den wirklich bühnenreifen Auftritt verstärkte. Das im 15. Jahrhundert spielende Stück erforderte konzentriertes Zuhören, die altertümliche Sprache gab dem Gespielten seine authentischen Lebenszüge.

Ein lautes Spektakel mit großem Gelage erlebte das Publikum am Sonntagabend bei der Theateraufführung von Hugo von Hoffmannsthals „Jedermann“ durch die „Chamäleon-Theaterwelten“ im Hof des Glatter Wasserschlosses. Die Zuschauer saßen bei der Inszenierung ganz nah am Geschehen dran. Bild: maz
Jedermann, protziger Reich-und Schönling, treibt es mit seiner Geliebten bunt und benimmt sich gegenüber seinen Dienern völlig überheblich und arrogant. Was ein Mann von Welt, reich, jung und schön, machen kann, wenn der Tod vor der Tür steht, wird in Hoffmansthals Stück sehr deutlich – genauso wenig wie eben „Jedermann“. Vorher das Leben auf der Überholspur mit Musik, Tanz und vielen Freunden, wenn es aber ernst wird, will keiner mit ihm seinen letzten Weg gehen.
Jedermanns Mutter spürt den nahenden Tod ihres Sohnes und will ihm helfen, aber auch sie kann ihn in seiner letzten Stunde nicht vor den Richter begleiten oder ihn schützen. Jedermann schindet eine einzige Stunde für sich heraus, in der er jemanden suchen kann, der ihm hilft. Doch niemand reißt sich darum, alle wenden sich von ihm ab. Die tragische Figur des „Mammon“, die in der Inszenierung gleich auf fünf Rollen verteilt war, zeigte den Zuschauern, was der ganz persönliche Mammon sein kann. Das Volle und Laute wird zum Stillen, Stimmen, Klänge und Rhythmen nehmen den Zuhörer gefangen. Wie im richtigen Leben durchwandert das Publikum mit den Akteuren ein Leben, indem sich das gedrehte Glück zeigt, und das Gedränge drumherum schnell verliert. Melancholie – als Trockenheit im Hirn charakterisiert, steht im Gegensatz zur doppelten Lebenslust, bei der Freundschaft und Liebe viel wert sind, im Zweifelsfall aber davon nichts übrig bleibt.
Die „Chamäleon-Theaterwelten“ bescherten den Gästen am Sonntag bei idealem Wetter einen unvergesslichen Abend, was mit anhaltendem Applaus honoriert wurde. Auch ernste Themen können so verarbeitet und begeisternd aufgenommen werden, lernten die Zuschauer im Glatter Schlosshof.
(Neckar Chronik)