Sulz-Bernstein
Der Tod kommt und holt ab
Schwarzwälder Bote Sulz, 03.09.2018
Von Hanni Vollmer
Fotos: Vollmer Foto: Schwarzwälder Bote
Wie und wofür lohnt es sich zu leben? Eine Frage, die das Stück "Jedermänner" behandelt.
Die ehemalige Klosterkirche Bernstein öffnet ihre Pforten in den Sommermonaten für besondere kulturelle Veranstaltungen.
Am Sonntag überzeugte das Ensemble von "Chamaeleon" mit der Klassiker-Inszenierung "Jedermann".
Geradezu prädestiniert ist die Kapelle für Hugo von Hofmannsthals Parabel auf die Vergänglichkeit, das das professionelle Gastspiel-Theater aus Horb-Dettingen aufführte.
Die Zuschauer befanden sich mitten im Geschehen und erlebten hautnah das Leben und Sterben des genusssüchtigen Protagonisten. Gott erkennt, dass sich die Menschen von ihm abwenden und statuiert bei dem gierigen Jedermann ein Exempel. Der Tod klopft an. Das göttliche Gericht wartet. Doch Jedermann wird ein Aufschub gewährt. Dabei hofft er auf Hilfe aus seinem Umfeld. Wird sein egoistisches Kalkül aufgehen?
"Jedermänner" gab es schon immer und wird es immer geben. Deshalb zeigt die entstaubte Umsetzung von Dorothee Jakubowski das Bild des modernen Menschen im 21. Jahrhundert. Hofmannsthals Bildsprache für die vielen Fragen bleibt dabei erhalten. Wie und wofür lohnt es sich zu leben? Für die Jagd nach Geld, Macht, Begierde? Oder doch für inneren Frieden und Liebe? Was bleibt, wenn nichts mehr bleibt? Wie ist wohl der letzte Atemzug?
Stilsicher inszeniert und von den Schauspielern hervorragend interpretiert mit pointierter Aussprache, Gestik und Bewegung wird das Stück von den Zuschauern begeistert angenommen. Amüsement und seelische Tiefe zeigen sich in guter Balance.
Wenn Andreas Schnell als Jedermann die aufreizend-berechnende "Buhlschaft" (Rosa Maria Paz) im engen Glitzerkleid begehrt, knisterte es geradezu vor Erotik. Die Sorgen seiner Mutter (Monika Bugala) lassen ihn kalt. Er setzt auf seine Freunde, die ihn im Stich lassen, so auch seine Dienerschaft. Ausgelacht wird er sogar vom ruppigen Mammon. Die Angst vor dem Tod sitzt allen im Nacken.
Und nach einer Stunde kommt der bedrohliche kalte Tod zurück (beeindruckend verkörpert von Dorothee Jakubowski) und fordert Jedermann auf, nun mit ihm zu gehen. Aus der Ferne ertönt leise die Stimme der Hoffnung (Rosa Maria Paz). Jedermann hört seine "guten Werke", die noch als einzige zu ihm halten. Zu schwach ist das bleiche kranke Wesen jedoch, um die Seele Jedermanns vor dem Zugriff des Teufels (Swen Richter) zu retten. Doch gemeinsam mit ihrer erhabenen Schwester, dem "Glauben" (Magdalena Rau) schaffen sie Jedermanns Wandlung zum bußbereiten Sünder. Begleitet von seinen "guten Taten" kann er vor Gottes Gericht treten. Lang anhaltender Applaus.
Über den Spielort äußerte sich Regisseurin Jakubowski gegenüber unserer Zeitung: "Der Kirchenraum bietet die Möglichkeit, die Reduzierung der Inszenierung zu spüren. Leider mussten wir Tücher aufhängen und Teppiche auslegen, um die Akustik zu verbessern. Dadurch wurde dem Raum etwas von seiner Schlichtheit genommen. Der Gang zur Läuterung führt in Bernstein aus der Kirche, der Raum als Schutzmantel wird verlassen. Die Umkehr wird in der Natur erfahren."