Sulz-Glatt
Ein Schloss für den kleinen Prinzen
Südwest-Presse Horb 31.08.2020
von Hans-Michael Greiß
Bild: Hans-Michael Greiß
Nach mühsamer Annäherung haben der Fuchs (Dorothee Jakubowski) und der kleine Prinz (Luis Schneiderhan) Freundschaft geschlossen.
Ein wenig Hoftheater-Ambiente empfing die Besucher am Eingang zur Spielfläche, um die strengen Hygiene-Auflagen zu Corona-Zeiten zu erfüllen. Für die etwa dreißig angemeldeten Gäste waren die Kontaktdaten bereits ausgefüllt, nach ihrer Unterschrift wurden sie zu den namentlich gekennzeichneten Plätzen geführt. Wirtschaftlich gesehen sei ein solches Unternehmen sinnlos, erklärte Andreas Schnell gegenüber der SÜDWEST PRESSE, doch die Lust zu spielen und die Sehnsucht nach einem Theaterbesuch seien für Spieler und Besucher das Wesentliche. Damit nahm er bereits die Aussage des Stückes vorweg.
Mit schlichten Worten und anschaulichen Bildern hat Antoine de Saint-Exupéry sein modernes Kunstmärchen „Der kleine Prinz“ als Kinderbuch verfasst, das jedoch mit zutiefst philosophischen Thesen das moralische Handeln der Erwachsenen infrage stellt. Kinder müssten mit den großen Leuten Nachsicht üben, bittet der in der Wüste abgestürzte Pilot um Verständnis.
Das historische Ambiente der Schlossanlage trug beachtlich zum Eindruck bei, und der wolkenverhangene Himmel blaute auf und bescherte einen pastellfarbenen Sonnenuntergang, wie ihn sich der kleine Prinz so sehr ersehnte.
Für die aufheiternde Abwechslung in Zeiten der Isolierung hatte Regisseurin Jakubowski ein Stück aus ihrer Repertoire-Schublade gezogen, das sie gleich nach Gründung ihrer „Das Chamaeleon Theaterwelten“ inszenierte. Seit der Premiere am 22. Juni 2013 hat es nichts an Frische, Aktualität und Betroffenheit eingebüßt. Der Hauptdarsteller Luis Schneiderhan ist mit dieser Rolle buchstäblich groß geworden, der einstmals pausbäckige Bub ist gereift und entdeckt nun bei jeder Aufführung neue Facetten.
Bewahrt hat er sich die naive Aura des kleinen Prinzen, der mit einfachen aber klaren Fragen die Handlungsweisen der Erwachsenen, die er bei seiner Reise auf sechs winzigen Planeten antrifft, beharrlich hinterfragt. Karikierend heillos überspitzt führen sie ihm, von Macht, Eitelkeit, Gier oder Pedanterie berauscht, ihre sinnentleerten Routinen vor, die er bei den großen Leuten auf der Erde in vielfacher Form antreffen werde.
Wie treffend Dorothee Jakubowski den Namen für ihr Unternehmen „Chamaeleon Theaterwelten“ wählte, zeigte sich in der Rollenverteilung. Drei Schauspieler besetzten elf Rollen und änderten nicht nur die Farben ihrer Kostüme wie das wandlungsfähige Tier, sondern auch die ihres Sprachausdrucks. So gab Jakubowski der Rose ein gekünstelt hohes gestelztes Timbre, dem Fuchs einen akzentuierten dunklen, fast kumpelhaften Ton, dem Laternenanzünder eine beklemmte Stoßatmung.
Requisiten der Machtlosigkeit
Hängende Schultern zeichneten den hoffnungslosen abgestürzten Piloten in der Darstellung Schnells aus, der sich in der aufkommenden Freundschaft zum kleinen Prinzen aufrichtete. Üppig wallenden Purpur und einen überdimensionierten Thron machte er dank seiner lächerlichen Überzeichnung zu Requisiten der Machtlosigkeit, umso mehr jedoch gab er mit schlurfend-torkelnden Schritten dem Säufer eine erschreckende Realitätsnähe.
Im eleganten Anzug mit viel zu ausladendem Hut buhlte Andreas Wachsmann vom Balkon des Schloss-Cafés um Bewunderung, in abgehackten Sätzen erstickte er beinahe in seiner Gier nach Steigerung seines Reichtums, in abgewetzter Hose, gelbem Hemd und Karopullover bot er das Zerrbild des Pedanten als Geograph und im blauen Overall mit weißer Mütze berlinerte er als Weichensteller. Diese Szene geriet mit ihren Schattenwürfen auf die historische Schlossmauer besonders eindrucksvoll. Jürgen Sesterheim untermalte mit kurzen Saxophon-Improvisationen zwischen den Szenen die Handlung und schuf damit einen tieferen emotionalen Eindruck.
Die Kostümbildner Hannah Deutschle und Frank Surgalla trugen zum Gesamteindruck mit ihrer stets leicht erkennbaren Ausstattung trefflich bei. Den wohlverdienten Applaus nahmen die fünf Akteure im gebotenen Abstand entgegen. Mancher Besucher schaute beim Verlassen in den nächtlichen Himmel, ob das gezeichnete Schaf wohl die Rose angeknabbert habe.