Bernstein
Vom Fuchs Lektionen fürs Leben gelernt
Südwest-Presse 27.08.2018
von Cristina Priotto
„Der Kleine Prinz“ verzauberte in der Inszenierung der „Chamäleon-Theaterwelten“ zweimal viele Zuschauer. Die vier Darsteller spielten sehr überzeugend. Requisiten, Kostüme und Musik waren wohlgesetzt.
Bild: Cristina Priotto
Aus Verantwortung und Liebe kümmert sich der Kleine Prinz (Luis Schneiderhan) um die Blume (Dorothee Jakubowski).
Wie man Kindern und Erwachsenen auf zugleich poetische, lehrreiche und unterhaltsame Weise die Themen Liebe, Verantwortung, aber auch Einsamkeit und Trauer näherbringen kann, hat Antoine de Saint-Exupéry vor 75 Jahren auf zauberhafte Weise mit dem Buch „Der Kleine Prinz“ gezeigt. Zum Nachdenken und Schmunzeln anregend war die Inszenierung der „Chamäleon-Theaterwelten“ aus Dettingen, die zweimal auf dem Bernstein und in Vöhringen gastierte.
Angesichts der kühlen Witterung durften Akteure und die rund 30 Zuschauer bei der Aufführung am Samstag gleich doppelt genießen: Das besondere Ambiente der ehemaligen Klosterkirche des Hofguts Bernstein und das kurzweilige Theaterstück.
Regisseurin Dorothee Jakubowksi hatte den Altarraum, die Nischen und die Empore ideal für die Stationen der Reise des Protagonisten ausstaffiert: Ein hoher roter Holzstuhl mit Samt für den König, ein Fahrrad als Flugzeug des Piloten, ein Tisch und Stuhl für den Geographen, drei Vulkane aus Pappmaché von Asteroid B612 und ein Strahler für den sisyphosartigen Laternenanzünder – fertig war die Kulisse, die durch den sparsamen Einsatz weiterer Requisiten und im Zusammenspiel mit den herrlichen Kostümen von Frank Surgalla und Hannah Deutschle das Geschehen für junge und ältere Zuschauer gut verständlich präsentierte.
Den notgelandeten Piloten gab Andreas Schnell einfühlsam, suchend und neugierig sowie als Lehrmeister und Schüler des Prinzen (Luis Schneiderhan) zugleich.
„Vom Himmel gefallen“ sind beide, und den Flieger (ein Alter Ego des Autors) sowie den Kleinen Prinzen eint ein Faible für philosophische Fragen ebenso wie eine blühende Fantasie.
Sehr anschaulich zeigte die Inszenierung die verschiedenen Charaktere, denen der junge Protagonist begegnet: Die Blume (Dorothee Jakubowski in beeindruckendem Kostüm) wickelt den Kleinen Prinzen mit ihrem Charme um den Finger und wird dafür mit Wasser verwöhnt.
Der Eitle (Andreas Wachsmann) in schräg-violettem Anzug und mit geckenhaftem Kopfschmuck fordert „Bewundere mich“ und erntet als traurige Gestalt doch nur Mitleid.
Der König ohne Untertanen verhält sich eher wie ein trotziges Kind und verlangt Gehorsam.
Der Geschäftsmann hält sich für den Besitzer aller Sterne und hat doch vor lauter Tippen an Laptop, Smartphone und Taschenrechner keine Zeit für die Schönheit des Universums. „Du bist für die Sterne zu nichts nütze“, macht der junge Gast dem gestressten Mann klar, der für so etwas jedoch gar kein Ohr hat.
Bei allem Sisyphosartigem der Tätigkeit attestiert der Kleine Prinz dem Laternenanzünder hingegen doch einen Sinn, selbst wenn dieser seine Aufgabe längst nicht mehr selbst hinterfragt.
Ähnlich tragisch ist die Gestalt des Säufers, der in einem Teufelskreis aus Alkohol und Vergessen gefangen ist und selbst durch die vielen Warum-Fragen des Prinzen sein tristes Dasein weiterlebt.
Einen „richtigen Beruf“ falsch ausüben ist das Los des Geographen, der am Schreibtisch klebt.
Ähnlich verloren ist die Lage des Weichenstellers, der „nie zufrieden ist, wo man gerade ist“.
Beachtlichen Körpereinsatz zeigte die Schlange in hautengem Plastikkostüm, die sich ruhelos durch die Erdenwüste schlängelt.
Im Fuchs findet der Kleine Prinz endlich einen echten Freund, der Antworten auf Fragen zu Verantwortung, Verlust, Einsamkeit und Trauer bietet, und auch der Pilot schöpft dank des kleinen Mannes von Asteroid B612 wieder neue Hoffnung.
Zwischen den Stationen setzte der Bierlinger Hans-Jürgen Sesterheim mit melancholischen Jazzklängen auf dem Saxofon passende Akzente zum Nachdenken.
Der lange Applaus des Publikums belohnte die Akteure für eine sehr gelungene Aufführung.