Horb am Neckar
Kleiner Prinz verzaubert
Schwarzwälder Bote Horb 11.08.2019
Von Jürgen Lück
Fotos: Hopp Foto: Schwarzwälder Bote
Das "Flugzeug", an dem der abgestürzte Pilot in der Wüste herumschraubt, ist ein Fahrrad. Das ist vorausahnender Zufall des Theaterensembles Chamaeleon beim 5. Horber Theatersommer, der am Samstag und Sonntag auf dem Marktplatz stattfand. Das Fahrrad ist Symbol des Kunstfestival-Tandems.
Extra für das Kunstfestival hat Regisseurin Doro Jakubowski eine "Special Edition" gemacht – mit einer einmaligen, lustigen Szene. Die das Publikum mitgerissen hat.
"Der kleine Prinz" – ein Klassiker der Theaterwelten Chamäleon, traumhaft, poetisch. Mit Luis Schneiderhan, der inzwischen auch Deutschlands jüngster Fraktionschef (OGL) ist, in der Hauptrolle. Doch bei der Tandems-Fassung, die am Samstag einmalig auf dem Marktplatz gezeigt wurde, konnten auch andere glänzen. Mit einer einmaligen Premiere.
Fängt schon damit an, dass es erstmals eine Loge gibt. Diese und die Stühle sind voll besetzt. Auf der Mauer sitzt die Geigenspielerin. Dazu wird die Kante auch zur großen Bühne für den Weichensteller, den Eitlen (Andreas Wachsmann) und den kleinen Prinzen. Genial, wie der Raum bespielt wird.
Das Beste allerdings: Nach der Szene, die nachdenklich auf die Sterblichkeit hinweist, wird es lustig und skurril.
Erst kriecht die Schlange (Doro Jakubowski) unten an der Mauer raus. Spricht mit dem kleinen Prinzen, sagt: "Ich bin mächtiger als der König. Ich kann die Menschen wieder zurück in die Erde bringen, woher sie kamen."
Nachdenklich versinkt das Publikum in diese Szene. Plötzlich kommt Gerda Timme mit einer "Schatzkiste" auf die Bühne. Preist ihre Pille an, die jede Woche 93 Minuten Zeit spart. Dann der Glanzauftritt von Julia Wagner. Rote Jacke, weißes Shirt, schwarzer, blauer, grüner Rock. Und Froschfüße als Schuhe. Kein sehr gelungener Style.
Julia steigt ein: "Heute ist eigentlich ein perfekter Tag. Doch was ziehe ich bloß an? Wie style ich mich? Wie ihr seht, hab ich nichts Perfektes gefunden. Das dauert immer Stunden, ehe alles passt." Das Publikum lacht. Julia weiter: "Ihr Männer. Ja, ich sehe Euch genau an, was ihr denkt. Ihr datet nicht mehr mit Frauen, weil ihr keine Lust mehr habt, stundenlang zu warten. Deshalb gibts hier meine Outfit-Wunderpille. Einmal geschluckt – schon wird euer Outfit für die ganze Woche passend zusammengestellt. Die kostet nur 100 Euro. Das ist schrottbillig!"
Peppig, ironisch, lebensecht und authentisch.
Dann ihre Schwester Katharina. Im braven Kleid, schwarzer Weste – fast eine Schuluniform. Katharina: "Lernen, lernen. Ich komme gerade aus der Schule und muss noch für fünf Arbeiten lernen. Mit meiner Wunderpille geht das vom Zettel rein in das Gehirn."
Dann hetzt Renate Krenzen mit Koffer auf die Bühne: Immer der Stress auf den Reisen. Was das an Sprit und Schuhsohlen kostet. Dafür habe ich meine Wunderpille – sie beamt euch von einem Ort zum anderen." Dann noch ein kleiner Seitenhieb. Krenzen: "Wo ist euer OB? Der ist nicht da. Auf einer wichtigen Delegation. Mit dieser Pille wär er sofort hier!"
Anmerkung der Redaktion: OB Peter Rosenberger hatte bis 16.30 Uhr sich beim Spinning-Festival sozusagen die Seele aus dem Leib getrampelt – also zumindest jede Menge Kalorien verbrannt. Dürfte danach wohl erst mal seine Beinmuskeln gepflegt entspannt haben. Das dürfte also als Entschuldigung gelten.
Zurück zum Stück und dem nächsten kleinen Highlight. Plötzlich stehen drei kleine Mädchen im Publikum auf. Mit Rosen-Mützen. Sagen: "Wir sind die Rosen. Wir wachsen, wachsen, wachsen!" Der letzte Satz wird zeitversetzt von rechts nach links von den dreien gesprochen. Zauberhaft, poetisch.
Doro Jakubowski: "Auch diese Szene so ist neu und extra für diese Tandems-Aufführung. Ich habe die beiden kleinen Schwestern von Julia und Katharina genommen, dazu ein Mädchen aus meinem Ferienspass-Angebot!"
Das war also ein ganz außergewöhnlicher "Kleiner Prinz". für das Tandems-Kunstprojekt. Künstlerhaus-Bewohnerin Stephanie Müller: "Die Kulisse ist großartig mit den vielen verschiedenen Ebenen. Auf einer festen Theaterbühne geht so etwas gar nicht. Auch die Kostüme sind super. Insbesondere die neue Szene mit den Wunderpillen war total erfrischend und peppig. Julia mit ihrem Esprit hat alle anderen mitgerissen!"
Da capo? (Italienisch für "von vorne" oder "noch einmal") Doro Jakubowski: "Nein. Diese Fassung wurde nur einmal aufgeführt!"
Na, vielleicht überlegt sich das die Regisseurin noch mal. Hoffentlich!