Schiltach
Kindertheater im Schiltacher Stadtpark mit thematischem Tiefgang
Mittelbadische Presse, 24.08.2022
Von Martina Weingartner
Mit wenigen, ausgesuchten Utensilien schaffte das Horber Theater-Ensemble „Chamäleon“ eine zauberhafte Inszenierung des Märchens Schneewittchen. Chefin Dorothee Jakubowski verlieh der Königin einen magischen Charme.
Im Schiltacher Stadtgarten überraschte das Horber Theater-Ensemble „Chamäleon“ am Sonntag mit einem unerwarteten Schluss seines Märchenstücks. Rund 60 Kinder fieberten mit.
Vom Prinzen keine Spur – damit hatte niemand gerechnet: Die vermeintlich böse Königin entkommt dem Schönheitswahn und versöhnt sich mit ihrer Tochter Schneewittchen, dem einst und zum Ende wieder geliebten einzigen Wunschkind. Doch erst nachdem Schneewittchen der Mutter die Augen zur wahren Schönheit öffnete: „Liebe, Vergebung, Klugheit und Ehrlichkeit, das sind die Dinge, die einen Menschen wirklich schön werden lassen.“ So inszenierte das Ensemble „Chamäleon“ aus Horb „Schneewittchen“, eines der bekanntesten Märchen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm, am Sonntag im Schiltacher Stadtgarten.
60 Kinder fiebern mit
Rund 60 Kinder und ihre Begleitungen fieberten mit dem Spiel unter der Linde mit. Und sie erklärten einige Male lautstark, was zu tun ist, wenn Zwerge ratlos waren und Schneewittchen zu gutgläubig war oder die Königin mehr als garstige Absichten kundtat.
Theaterchefin Dorothee Jakubowski verlieh der Königin einen magischen Charme mit immer neuen Laufsteg-Outfits, kombiniert mit unterschiedlichen, glitzernden und fliegenden Umhängen. Ihre Gegenspieler waren die Zwerge Hippo, Freddi, Max und Knax, Bippo, Nurmi sowie Felix. Die Rollen des Jägers und aller sieben Wichte schulterte Swen Richter in einer Person. Sein Trick für die Darstellung von gleich sieben Zwergen war eine Zipfelkappe, die rundherum die Anfangsbuchstaben der Zwergennamen zeigte. Richter drehte immer den Anfangsbuchstaben des Zwergs auf die Stirn, den er gerade verkörperte, und gab ihm seinen typischen Habitus und einen anderen Dialekt. Eine Verwechslung der sieben Gesellen war quasi unmöglich.
Entwicklung genommen
Elisabeth Kaiser überzeugte als schönes Schneewittchen im blauen Samtkleid sowie mit glänzendem, ebenholzfarbenen Haar und nahm während des Stücks eine Entwicklung von der Königstochter zur lebensklugen jungen Frau. Mit ihrem glockenhellen Gesang verzauberte sie die Zuschauer und unterstrich den reinen Charakter des „achten Zwergs“, als der Schneewittchen von den anderen sieben aufgenommen wurde.
Mit paillettenbestickter Jacke überzeugte Andreas Schnell als vermenschlichter Spiegel, der seine Unsicherheit preisgab und von den Kindern Empörung für seine Erklärung der vermeintlich berechtigten Lüge erntete: „Ich kann doch nicht die Wahrheit sagen, sonst ende ich noch als Bilderrahmen!“ Dieses Risiko musste er nach dem Willen des jungen Publikums eingehen: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier, doch Schneewittchen ist tausendmal schöner als Ihr.“
Andreas Schnell war als Autor des frei nach Grimm ausgelegten Stücks auch für das überraschende Ende des Märchens verantwortlich. So wurde das alte Märchen aktuell und beinhaltete Themen wie die Brechung des diktierten Schönheitsideals sowie Individualität, Heimatlosigkeit und das Finden von Heimat, Stärkung des Selbstbewusstseins und den Mut zur Umkehr sowie den Glauben an sich selbst und an das Gute.