Packendes Stück über das Sterben
Schwarzwälder Bote 28.02.2016
von Petra Haubold

Foto: Schwarzwälder Bote| Petra Haubold
Am Ende dankte das Publikum mit stürmischem Applaus für die erstklassige Leistung von Schauspielerin Dorothee Jakubowski, die in ihrem Ein-Personenstück "Oskar und die Dame in Rosa" mit Stimmenvielfalt und großem darstellerischen Talent glänzte.
Jeden Tag so zu leben, als sei es der erste: In Eric-Emmanuel Schmitts Geschichte ging es um das schnelle Sterben eines zehnjährigen Jungen, der dank eines erzählerischen Tricks ein fast überlanges Menschenleben durchlebt und am Ende das Leben bejaht. Das Publikum verharrte nach der gut 70-minütigen Darbietung am Freitagabend in nachdenklichem Schweigen.
Zuvor wurden alle Zeugen einer wunderbaren, von Regisseurin Tina Brüggemann in Szene gesetzten Geschichte um den todkranken Jungen Oskar, der in seinen letzten Lebenstagen von der Betreuerin Rosa in einem Krankenhaus begleitet wird.
Das mit wenigen Requisiten angeordnete Bühnenbild nahm sich ebenso wie die Lichttechnik und die Musik zurück, um ganz den Monologen von Dorothee Jakubowski die Auslegung von Hoffnung, Liebe, Verzweiflung und dem furchtlosen Sterben des zehnjährigen Oskar zu überlassen. Die Schauspielerin konfrontierte die Zuschauer mit unterschiedlichen Gefühlslagen. Sie erzählte die Geschichte des Jungen, der wohl weiß, wie es um ihn steht, aber wütend darüber wird, dass seine Eltern nicht mit ihm darüber reden wollen. Zuspruch bringt ihm die fröhliche und recht komische Rosa, die vorgibt, eine ehemalige Catcherin zu sein und deren oft recht gewöhnliche Ausdrucksweise dem Stück eine heitere Note verleiht.
Rosa verrät Oskar ihr Geheimnis und rät ihm, zwölf Tage lang jeden Tag als zehn Jahre seines Lebens anzusehen. Zudem soll er täglich einen Brief an Gott schreiben. Oskar geht auf ihren Vorschlag ein und durchlebt die verschiedensten Lebensabschnitte, seine erste Liebe zur ebenfalls erkrankten Peggy Blue, die Heirat, die Trennung und auch das Endstadium seiner Krankheit. So gewinnt er die Erfahrung, die nur das Alter bringen kann. Am Ende steht die Einsicht, dass das Sterben ein ganz natürlicher Teil des Lebens ist.
Beachtliche Ausdruckskraft
Mit beachtlicher Ausdruckskraft spielte Dorothee Jakubowski den sterbenden Jungen, schlüpfte aber auch in die Rollen anderer Kinder auf seiner Station, erweckte den Oberarzt Doktor Düsseldorf zum Leben und identifizierte sich dann mit den Eltern. Dazwischen sorgten immer wieder die nachdenklichen Unterhaltungen zwischen Oskar und Rosa für Erstaunen: "Der Tod ist eine Tatsache, nicht eine Strafe."
Man erlebte Oskar als Ausreißer aus dem Krankenhaus im Auto von Rosa und lachte über die pfiffigen Bemerkungen des Kindes, die die Akteurin geistreich entfachte. Mal rotzig laut, mal schmerzlich leise, aber immer mit viel Enthusiasmus illustrierte die Bühnenkünstlerin die unterschiedlichen Seelenlagen des Jungen. Der hatte kurz vor seinem Tod ein Schild auf seinen Nachttisch gestellt. "Nur der liebe Gott darf mich wecken." Als nach der letzten Szene das Licht ausging und die Begleitmusik verstummte, war es sekundenlang mucksmäuschenstill im Saal.